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Mit Ski und Snowboard auf dem Broadway • Winter in New York

Dabei sein ist nicht alles. Wenn Sportler, Urlauber und Medienvertreter dem Schein der olympischen Fackel vom 9. bis 25. Februar 2018 in die südkoreanische Stadt Pyeongchang folgen, kann man das zum Anlass nehmen, nach Alternativen zu suchen. Olympisch Ski fahren kann man auch andernorts.

Lake Placid; Upstate New York
Olympisch aber kein Vergleich mit den Alpen

Die Zufahrt zum Broadway liegt 975 Meter über dem Meeresspiegel, sein Endpunkt knapp 500 Meter tiefer. Das Gefälle ist mäßig, die durchschnittliche Geschwindigkeit gemütlich. Der Broadway ist eine Skipiste am Hunter Mountain im US-amerikanischen Bundesstaat New York.

Geschwindigkeitsrekorde wird man hier kaum aufstellen – genau wie auf seinem meist völlig überlasteten Namensgeber, dem Broadway in Manhatten. Noch etwas gemächlicher, fast wie beim Einkaufsbummel, gleiten Anfänger auf der parallel verlaufenden Fifth Avenue oder über den Madison Square.

Die Wahl der Namen ist ein genialer Marketingstreich, ruft sie die Nähe des Wintersportgebietes zu New York City doch stets in Erinnerung. Wer abends ein Musical in der legendären 42nd Street besucht, kann sich schon am kommenden Morgen an Parallelschwüngen versuchen – natürlich ebenfalls auf einer 42nd Street. Der riesige Parkplatz am Fuße der Pisten ist von Manhattan in weniger als zwei Stunden zu erreichen. Auf eine Namensgebung hat man bei den Abstellflächen allerdings verzichtet. Schade eigentlich. Angesichts ihrer Größe hätte sich Central Park durchaus angeboten.

Schwarzwald statt Schweiz

New York im WinterDie Nähe zu Amerikas bekanntesten Wolkenkratzern ist das beste Argument für einen Winterurlaub im Staat New York. Auf Verhältnisse wie in den Alpen, riesige Skigebiete, endlose Pisten oder grandiose Felspanoramen, muss man dafür verzichten. Enge Schluchten und gewaltige Höhenunterschiede findet der Urlauber in Down- und Midtown Manhatten. In den Skigebieten herrschen lieblichere Zustände: Schwarzwald statt Schweiz.

Anspruchsvolle und gute Skifahrer finden jedoch auch am Hunter Mountain Pisten nach ihrem Geschmack. 13 der insgesamt 53 Abfahrten sind als extrem schwierig klassifiziert, weitere 27 zählen zu den schweren. Das Gefälle der „K-27“ liegt auf einem kurzen Teilstück bei über einhundert Prozent, steiler als ein 45 Grad Winkel. Die zahllosen vergeblichen Versuche, hier Ski oder Snowboard unter Kontrolle zu behalten, haben ihr den Spitznamen Killer-27 eingebracht. Dem Rausch der Geschwindigkeit verfallen geübte Skifahrer außerdem auf Pisten wie Racer’s Edge, The Cliff oder Hellgate, dem Tor zur Hölle.

Lake Placid Siegertreppe
Posieren darf hier jeder mal

Zweifache Olympische Spiele

Noch etwas wilder geht es an den Hängen des White Face Mountain zu. Hier bringt olympisches Feuer das Wachs unter den Brettern zum schmelzen. Am höchsten Punkt des Skigebietes, der 1415 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Top Station, begannen während der olympischen Winterspiele von 1980 die Abfahrtsrennen. Die Strecke führte über die Pisten Cloudspin und Lower Valley zur Basisstation auf 371 Metern über dem Meer. Auf der weitest möglichen Strecke legt man fast fünf Kilometer zurück und überwindet einen Höhenunterschied von mehr als tausend Metern; das ist auch im Vergleich mit den Alpen keine kurze Piste.

In Lake Placid ist man stolz auf seine olympische Vergangenheit. Gleich zweimal, 1932 und 1980, durfte die kleine Gemeinde am gleichnamigen See die Sportler der Welt beherbergen. Der Name ist für Amerikaner ein nationales Symbol. In der gewaltigen Sporthalle, die über dem Ortskern thront und das Tal dominiert wie ein Atomkraftwerk, ereignete sich 1980 das „Miracle on Ice“, ein „Wunder auf dem Eis“. Die Eishockey-Mannschaft der USA, durchweg Studenten mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren, schlug das Team der Sowjetunion, den Favoriten der Winterspiele.

Das Wunder von Lake Placid

Das Olympische Museum in Lake Placid
Historische Ski im Olympischen Museum

Der unerwartete Sieg hatte auf die USA, damals mitten in einer Wirtschaftsflaute, einen ähnlichen Effekt, wie das „Wunder von Bern“ auf die Deutschen in den Fünfzigerjahren. Auch bei der Weltmeisterschaft von 1954 hatte man der ungarischen Fußball-Elf im Endspiel die besseren Chancen zugesprochen.

Nach beiden Spielen ging ein Ruck durch die siegreiche Nation, der das Nationalgefühl stärkte und die Wirtschaft belebte. Außerdem haben beide Ereignisse den Sprung auf die Kinoleinwand geschafft. Die Goldmedaille brachte den USA 1980 eigentlich erst der Sieg gegen Finnland im Finale. Aber angesichts des sportlichen Triumphes im Kalten Krieg auf dem Eis ist das heute in Vergessenheit geraten.

Dass sich in der legendären Eishalle ein vergleichbares Ereignis wiederholen könnte, hält man in Lake Placid für unwahrscheinlich. Im olympischen Museum bezweifelt man sogar, dass der Stadt noch einmal die Spiele zugesprochen werden. Lake Placid sei, so befürchtet man, für die heutigen Dimensionen des Sportereignisses einfach zu klein. Die bescheidenen Ausmaße des Museums untermauern diesen Eindruck.

Hostessen im ABBA-Dress

Die Ausstellung in der kleinen Halle ohne Tageslicht und Charme lohnt trotzdem einen Besuch. Das „Miracle on Ice“ läuft in Dauerschleife auf einem Fernsehgerät, das noch aus der Zeit vor dem Wunder selbst zu stammen scheint. Sehenswerter als die Aufzeichnung des Spiels sind jedoch die amerikanischen Besucher des Museums, die ihre Spieler auch heute noch anfeuern, als würde es sich um eine Live-Übertragung handeln. Neben einer Sammlung verschiedener Olympischer Fackeln, Medaillen und Sportgeräte, zeugen besonders die originalen Kostüme der Hostessen vom Geist der Zeit. Agnetha und Anni-Frid, die Sängerinnen der Popgruppe ABBA, hätten sich seinerzeit nicht schriller kleiden können.

Ausblick von der Sprungschanze
Macht Angst; Ausblick von der Sprungschanze

Olympische Champions in der Herstellung von Kunstschnee

Weniger museal geht es an den olympischen Sportstätten zu. Besucher können von der Aussichtsplattform in der 26sten Etage des MacKenzie-Intervale Ski Jumping Complex den Ski-Springern beim Training über die Schulter schauen. Sie können den Verizon Sports Complex besichtigen und mit über achtzig Stundenkilometern auf einem Schlitten die Bobbahn hinunterbrausen.

Und natürlich können sie Ski fahren – olympisch oder ganz gemütlich. Und das selbst dann, wenn es im Winter nicht oder so gut wie gar nicht schneit, denn in einer Disziplin sind die New Yorker mit Sicherheit olympische Champions: dem Herstellen von Kunstschnee. Soll die Klimaveränderung doch kommen – Lake Placid ist gewappnet. 97 Prozent der Pisten können am White Face Mountain künstlich beschneit werden.

Info

Im US-amerikanischen Bundesstaat New York gibt es mehr als fünfzig Skigebiete, die sich meist auf einen Berg beschränken. Informationen zu Pisten und Schneeverhältnissen finden sich unter http://www.onthesnow.com/NY

Am White Face Mountain, dem olympischen Abfahrts- und Slalomgebiet, gibt es 74 Pisten mit einer Gesamtlänge von etwa 24 Kilometern; http://www.whiteface.com

Informationen zum Hunter Mountain gibt es auf der Webseite http://www.huntermtn.com

Allgemeine Informationen zur Region gibt es beim New York State Division of Tourism: http://www.nylovesu.de

Unterkunft:

Das Skigebiet White Face Mountain liegt näher an der Ortschaft Wilmington als an Lake Placid. In der Nähe der Pisten befindet sich das von einer Deutschen geleitete „Willkommen Hof Bed & Breakfast“; http://www.willkommenhof.com

Etwas mondäner logiert man in der Whiteface Lodge am Ortsrand von Lake Placid; http://www.thewhitefacelodge.com

Im Kaatskill Mountain Club wohnt der Urlauber im Apartment mit eigener Küche direkt an der Piste des Hunter Mountain; http://www.kaatskillmtnclub.com

Fotos: Carsten Heider

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